Luftangriffe im Ferndorftal

Vor sechzig Jahren: Luftangriffe im Ferndorftal

 

Am Sonntag, dem 18. März 1945, wurden die Ortschaften Kreuztal, Ferndorf und Buschhütten von schweren amerikanischen Luftangriffen heimgesucht. Zum Gedenken an den Angriff auf Ferndorf hat der frühere Kirchmeister Erhard Krämer folgende Worte formuliert und in der Abendandacht am 18. März 1995 in der Ferndorfer Kirche gelesen, Worte, die auch heute, nach weiteren zehn Jahren, so aktuell erscheinen wie damals:

 

Der Krieg ging dem Ende zu. Die Ostfront war zusammengebrochen. Die Amerikaner hatten den Rhein bei Remagen überstiegen. Unsere Heimat war unmittelbares Hinterland der Westfront. Fast täglich war Fliegeralarm, Bomben fielen, vor allem nachts in den Kreuztaler Bahnhofsbereich. Eisenbahnzüge, aber auch die Zivilbevölkerung wurden mit Bordwaften beschossen.

 

Viele Ferndorfer gingen tagsüber in den Wald, in der Hoffnung, dort sicherer zu sein. Die Hütten waren bewohnt, Behelfsheime, primitive Holzhäuschen und Unterstände wurden aufgebaut, alte Stollen wieder geöffnet. Das ganze obere Zitzenbachtal war bevölkert. Der 18. März war ein frühlingswarmer Sonntag. Schon morgens um halb 6 Uhr war Fliegeralarm. Im Osten stand eine rote Leuchtkugel am Himmel, ein Angriffssignal. Viele gingen wieder in den Wald. Kurz nach 15.30 Uhr gab es wieder Alarm, "Akute Luftgefahr". Die Menschen, die noch im Dorf waren, liefen in die Luftschutzkeller und Splitterschutzgräben, einige in den Kirchturm, der ihnen Schutz bot.

 

Schwere amerikanische Bomber kamen von Südwesten und entluden ihre todbringende Fracht. Nacheinander gingen drei sogenannte Bombenteppiche nieder: einer in den Wald hinter der Mühle, die Bombentrichter sind noch zu sehen, einer in die Aherweiden, der dritte ins Dorf. Es gab mehr als dreißig Tote. Ihre Gräber in der Mitte unseres Friedhofes mit ihren kleinen Steinkreuzen erinnern und mahnen uns, die wir davongekommen waren, aber auch die später Geborenen.

 

17 Häuser wurden total zerstört, 68 mehr oder wenigen stark beschädigt, darunter auch unsere Kirche und vor allem das Konfirmandenhaus. Bomben schlugen im Kirchhof ein und zerstörten Fenster und Dach der Kirche und die Kirchhofsmauer zur Straße hin. Skelettteile vom alten Friedhof lagen verstreut herum. Die Bomben hatten wohl dem Verschiebebahnhof in Langenau gegolten, Sie waren nur ein wenig zu spät ausgeklinkt worden. Etwa ein Drittel von ihnen hatte unser Dorf getroffen. Der Krieg, von Deutschland ausgegangen, war nun massiv über uns herein gebrochen.

 

Manche hielten es für ein Gottesgericht. Auch in Ferndorf hatte man einst die braunen Herren begrüßt. Auch hier wußte man nicht, was man tat.

 

Als dann am 9. April der Krieg durch den Einmarsch der Amerikaner für uns zu Ende und die Kirche wieder notdürftig repariert war, etwa drei Wochen nach dem Bombenangriff, strömten die Menschen in die Gottesdienste. Es bleibt uns Älteren die Erinnerung an Tod und Vernichtung, Schrecken und Angst, auch an den Hunger nach Gottes Wort, damals, 1945.

 

Erhard Krämer