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Weihnachten - Gedanken des Superintendenten

23.12.2023

Wenn in der Weihnachtgeschichte die Stelle mit den Hirten kommt, muss ich oft an Bassam denken. Bassam durften meine Frau und ich auf einer Reise nach Israel kennenlernen. Bassam, Mitte 30, ein junger Familienvater von fünf Kindern, stellte sich uns vor. Er war der älteste Sohn einer arabischen Kaufmannsfamilie aus Jerusalem, befreundet mit unserer israelischen Gastfamilie aus Tel Aviv, ebenfalls Großhändler für allerlei. Eine Woche lang zeigte uns unsere Gastfamilie die Schönheiten des Heiligen Landes.

 

So kam es auch zu jenem Treffen zwischen ihnen als befreundeten Kaufleuten und uns evangelischen Christen in Jerusalem. Es sei ihm eine Ehre, sagt Bassam, meine Frau und mich nach Bethlehem fahren zu dürfen. Er als Moslem will uns einige heilige Stätten unseres christlichen Glaubens zeigen! Und er will es sehr gerne machen!  So steigen wir in seinen uralten Minibus und passieren den Checkpoint ins Westjordanland. Erst fahren wir zur Geburtskirche in Bethlehem und danach hinauf auf eine zugige Anhöhe. Eine karge und felsige Gegend liegt vor uns, die „Shepherds‘ Fields“. Hier soll es geschehen sein, dass den Hirten der Engel des Herrn erschien. Hier soll er ihnen bei Nacht die Geburt Jesu verkündet haben. Erst er allein und dann die Menge der himmlischen Heerscharen mit ihm zusammen.

 

Wir setzen uns in einer Art Wellblechhütte am Rande dieser „Shepherds‘ Fields“ auf Gartenstühle aus Plastik. Alles wirkt eher profan und billig als heilig. Bassam zeigt auf einen Brunnen in der Nähe und er fragt, ob ich die Geschichte von Josef kenne. Sie steht im Koran. Und er erzählt, dass Josef von seinen eigenen Brüdern in einen solchen Brunnen geworfen wurde. Dieselbe Geschichte wie in der Bibel! Ich bejahe es. Während ich ihm zuhöre breitet sich eine zutiefst friedliche, vertraute und freundschaftliche Stimmung zwischen uns in dieser baufälligen Hütte aus. Ganz gleich, denke ich, ob die Engel hier oder woanders ihre Botschaft verkündeten. Die Kraft ihrer Worte ist heute immer noch zu spüren. „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!“ – so singen sie überirdisch.

 

Gott will einen Frieden, der hält. Gerade in diesem Jahr hoffen wir mit vielen Menschen besonders stark auf die Kraft eines solchen Friedens. Zwischen uns Menschen muss er ja oft mühsam errungen werden, müssen Verhandlungen und Waffenstillstand hergestellt werden. Anstrengend und zäh ist unser Weg zum Frieden, der eher der Vernunft geschuldet ist, statt ehrlicher Versöhnung zu entspringen. Dieser errungene Friede aber hat eine unzerstörbare Basis: Gott hat sie gelegt in dem Kind in der Krippe. Er legt seinen Frieden in unsere friedlose Welt. Er verbindet Menschen, manchmal überraschend. Zum Beispiel dort, wo wir uns erzählen können, was uns heilig ist. Was wir ersehnen und wovor wir uns fürchten. Plötzlich sind in solchen Momenten nur unsere Gemeinsamkeiten wichtig. Nicht die Unterschiede. Mit Jesus verbindet sich Gott mit uns. Greift uns nicht an, nein: steht uns zur Seite. Tritt in Vorleistung mit seinem Frieden, den kein Krieg zerstören kann.

 

Als Bassam uns für die Heimreise die Tür zu seinem alten Minibus öffnet, sehe ich zurück auf diesen besonderen Ort. Da erst entdecke ich eine Leuchtschrift am Dach dieser armseligen Hütte. Rhythmisch blinkend verkündet sie in dieser unwirtlichen Landschaft „Gloria in excelsis“, also: Ehre sei Gott in der Höhe. Irgendwie kitschig und banal, denke ich. Und gerade so doch tief anrührend. So als hört man irgendwie schon die Engel singen. „Danke Bassam, dass Du uns das erleben ließest“, sage ich herzlich verbunden zu ihm.  An Bassam werde ich in diesem Jahr gerne denken, wenn ich die Weihnachtsgeschichte wieder im Gottesdienst hören darf!

 

Peter-Thomas Stuberg

Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein 

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